Ein Tag wie ein Feind !
Dobermann Santo erzählt, wie er eine Unterordnungsprüfung verpatzte, weil Herrchen die Nerven verlor.

Am Morgen des Prüfungstages fiel mir die ständige Aufmerksamkeit auf ,die die Familie meiner Wenigkeit widmete. Leichte Hektik auch,als Herrchen die Schuhe anzog. Die sonst übliche, nach Leckerlis und Natur riechende Jacke, die schönen Turnschuhe blieben an der Garderobe. Herrchen trug Kleidung, die er normalerweise dann anzieht, wenn ich zu Hause bleiben muß. Beunruhigend.
Wir gehen zum Auto, Herrchen vergißt etwas. Hastet zurück. Streichelt mich. Warum? Wir fahren zum Abrichteplatz. Heute dürfen die vierbeinigen Kumpels dort nicht mit mir spielen, wir dürfen uns nicht beschnuppern. Merkwürdig. Und ständig werde ich aufgefordert, "Lackerl" zu machen. Ich zeige meinen good will und hebe hier und da mein Bein.
Auf meinem geliebten Hundeplatz wird heute nicht gelacht, keine Zurufe ertönen, jeder Zweibeiner riecht nach Stress. Wenn meine Kumpels von den Übungen zurückkommen, werden sie von den wartenden Menschen umringt, beklatscht und betätschelt. Eigenartig.
Ich glaube, jetzt sind wir an der Reihe. Plötzlich entwickelt sich mein heißgeliebter Übermensch zu einem Fremden. Er zerrt mich grob und hektisch zum Eingang. Der hastige, steife Schritt und die ernste Miene sind mir unangenehm. Ich weiche etwas zur Seite. Sofort kommt ein grimmiges FUSS. Die übliche Korrektur mit Leine oder Leckerli entfällt. Kein BRAV entschlüpft ihm, als ich mich, sobald er anhält, hinsetze, damit ich ihn wieder postiver stimmen kann. Warum benimmt er sich so blöd? Sonderbar. Ich werde langsam sauer.
Jetzt leint er mich ab, und ich fühle mich wieder frisch. Ich schüttle mich kurz. Anscheinend ist die eisige Phase jetzt vorüber. Da zischt mir wieder ein unnatürliches FUSS entgegen. Jeden Meter, jede Wendung, jedes Anhalten haben wir trainiert, und ich kann alles wie im Schlaf. Trotzdem fehlt mir heute die Sicherheit. Ich finde den Faden zu meinem Oberhund nicht. So trotte ich nebenher. Ich fühle mich unwohl. Gähn!
Wieder halten wir an. Er lobt mich nicht, trotzdem ich doch alles richtig gemacht habe. Ich weiß, daß jetzt, nach 19 Schritten, mein SITZ kommt. Doch der Befehl klingt anders. Gekrächzt. Es irritiert mich. Ich gehe vorsichtshalber in eine Stellung zwischen SITZ und PLATZ. So wird's schon recht sein. Herrchen bekommt den bösen Blick, läßt die Schultern herabfallen, seine Haltung verrät nichts Gutes. Schnell lege ich mich hin, um meine Ergebenheit auszudrücken. So , wie er jetzt auf mich zukommt, ist er mir unheimlich. Jetzt habe ich Magendrücken. Und als er mich am Halsband hochzieht, kusche ich wieder in Liegestellung. Mir reicht's langsam.
Das erneute Losgehen mache ich zwar automatisch mit, aber als er PLATZ herausstammelt, bleibe ich einfach stehen. Jetzt atmet er auch noch fast hechelnd. Ich begebe mich vorsichtig zu ihm und hoffe, endlich sein BRAV zu hören, aber er wird immer zorniger.
Da, wedel-wedel, es geht in Richtung Bringhölzer. Meine Lieblingsübung. Mir lacht das Herz. Freudig gehe ich bei Fuß, setze mich blitzartig, als er das Holz wegschießt, und warte auf sein BRING. Es kommt, scharf, und als ich mich mit dem aufgenommenen Holz wieder in seine Richtung drehe, sehe ich seine miese Laune. Weil ich ihn auf der Spielwiese mit Stöckchenspielen immer aufheitern kann, versuche ich es jetzt und fordere ihn auf, mir nachzurennen. Na los doch!
Da brüllt er BRING und schäumt vor Wut. Nicht einmal die Spielaufforderung versteht er. Ich lasse das Bringholz lieber fallen und gehe in die Grundstellung. Das mag er doch sonst. Verzweifelt himmle ich ihn an. Wieder falsch! Ich spüre es an seiner Körpersprache. Es ist zum Verzweifeln.
Die letzte Übung VORAN versetzt mich nun in einen Zwiespalt. Will er das wirklich? Was will er eigentlich? Kann ich ihm heute noch irgend etwas recht machen? Da fällt mir ein: Er ist doch immer ganz begeistert, wenn ich morgens mein Häufchen erledige. Vielleicht erheitert ihn das? Vielleicht bekomme ich sogar ein Extra-Leckerli? Ich laufe schnell seitlich an den Rand des Abrichteplatzes und befreie mich, körperlich und seelisch. Ich komme ja gleich wieder. Jetzt wird alles gut!
Doch wie schrecklich.
Großer allmächtiger Wolf, bewahre mich vor dem Tierheim.
Laß' Abend werden. Denn morgen wird sicher alles wieder gut.

Inge Eberstaller,
Richterin/Linz